Das Rennen der Frauen
Fotyen Tesfay ist die schnellste Halbmarathon-Läuferin, die je im deutschsprachigen Raum auf der Startliste eines Straßenrennens stand. Mit Ihrer Bestzeit von 63:21 Minuten, die sie im vergangenen Oktober in Valencia lief, ist sie nur 29 Sekunden entfernt vom Weltrekord ihrer Landsfrau Letesenbet Gidey (62:52). „Ich bin nach Berlin gekommen, um meine Bestzeit zu unterbieten. Ich weiß, dass die Strecke sehr gut ist, denn es gab eine Reihe von äthiopischen Läuferinnen, die hier erstklassige Leistungen erzielt haben. Daher habe ich sehr hohe Erwartungen“, sagte Fotyen Tesfay. Geht sie ein entsprechendes Tempo tatsächlich an, wäre dies zugleich ein Angriff auf den Weltrekord. Allerdings können sich die vorhergesagten sehr kalten Temperaturen leistungsmindernd bemerkbar machen. Der Berliner Streckenrekord von 65:02 Minuten und die Jahresweltbestzeit (64:13) sind aber realistische Ziele. „Mit Fotyen Tesfay haben wir eine Läuferin am Start, die eine Zeit erreicht hat, über die sich noch vor ein paar Jahren deutsche Männer gefreut hätten“, sagte Race-Direktor Mark Milde.
Eine Athletin, die Fotyen Tesfay herausfordern könnte, ist ihre Landsfrau Ftaw Zeray. Sie war vor einem Jahr in Berlin bereits Zweite und hat eine Bestzeit von 66:04. „Ich laufe gerne in Berlin. Mein Ziel ist eine persönliche Bestzeit“, sagte Ftaw Zeray.
Zwei starke britische Läuferinnen, die zur erweiterten europäischen Spitze zählen, könnten eine gute Rolle spielen: Jessica Warner-Judd hat eine persönliche Bestzeit von 67:07 und Samantha Harrison erreichte bisher 67:10 Minuten. Beide wollen sich nach Krankheits- beziehungsweise Verletzungsproblemen zurückmelden.
Zwei deutsche Läuferinnen könnten sich am Sonntag an den Britinnen orientieren: Gesa Krause (Silvesterlauf Trier) und Esther Pfeiffer (Düsseldorf Athletics) führen mit fast identischen Bestzeiten von 69:46 beziehungsweise 69:49 das deutsche Elitefeld an. Beide wollen sich in Berlin weiter steigern. Die Weltklasseläuferin über 3.000 m Hindernis, Gesa Krause, konzentriert sie sich in diesem Frühjahr auf die Straßenrennen, und der GENERALI BERLINER HALBMARATHON ist dabei der Höhepunkt. „Ich bin ja schon 2018 hier gelaufen und habe den Halbmarathon als ein tolles Rennen in Erinnerung. Damals habe ich viele positive Erfahrungen gesammelt und freue mich, nun wieder in Berlin laufen zu können“, sagte Gesa Krause, die vor sieben Jahren in Berlin Platz fünf in 72:16 belegt hatte. Im Sommer wird die Hindernis-Vize-Europameisterin wieder auf die Bahn zurückkehren. Ein Marathon-Debüt ist noch nicht absehbar, aber in ihrer langfristigen Planung.
Für eine Überraschung sorgen könnte Blanka Dörfel (Marathon Team Berlin). Die 22-Jährige, deren Bestzeit ihr deutscher Rekord der unter 20-Jährigen ist (71:54), will sich nach mehreren Jahren mit Verletzungs- und Krankheitsproblemen zurückmelden. Dies gilt nach derartigen Problem auch für Rabea Schöneborn (Bestzeit: 70:35) und Kristina Hendel (70:38), die beide für das Marathon Team Berlin starten.
Das Rennen der Männer
Ein spannender Zweikampf zwischen dem Äthiopier Gemechu Dida und dem Kenianer Gideon Kiprotich zeichnet sich bei den Männern ab. Beide reisen in Topform nach Berlin. Dida hat eine Bestzeit von 58:39 und ist damit sogar drei Sekunden schneller als der Berliner Streckenrekord (58:42). Er war im Februar in 59:25 Zweiter beim hochklassigen Ras Al Khaimah-Halbmarathon in den Vereinigten Arabischen Emiraten. „Ich habe gut trainiert und mein Ziel ist es, am Sonntag zu gewinnen“, sagte Gemechu Dida. Kiprotich gewann vor einem Monat den Rom-Ostia-Halbmarathon und steigerte sich dabei auf 58:49. Für die Kenianer geht es auch um die Fortsetzung ihrer eindrucksvollen Berliner Erfolgsserie: Seit 2017 belegten sie bei dem Rennen immer zumindest die ersten drei Plätze.
Amanal Petros (Hannover 96) rückte spät noch in das Elitefeld nach. So könnte es nun zu einem spannenden Duell mit Richard Ringer (LC Rehlingen) kommen. Petros ist der deutsche Halbmarathon-Rekordler (60:09) und der erste Läufer in der deutschen Leichtathletik-Geschichte, der zudem die nationalen Bestmarken auch im Marathon und über 10 km gebrochen hat. Ringer schrieb 2022 in München nationale Leichtathletik-Geschichte: Er gewann als erster Deutscher den Männer-Marathon bei den Europameisterschaften.
„Ich bin optimal vorbereitet und gestern aus dem Höhentrainingslager in Kenia nach Berlin gereist“, sagte Amanal Petros. „Ich würde gerne in Richtung deutscher Rekord laufen. Diese Marke ist ja auch schon vier Jahre alt.“ Ein ganz so schnelles Rennen plant Richard Ringer allerdings nicht. „Ein Angriff auf den deutschen Rekord ist noch ein bisschen weit hergeholt, aber eine persönliche Bestzeit unter 61:00 ist das Ziel“, sagte Ringer, dessen Bestzeit bei 61:09 steht.
Für eine Überraschung sorgen könnte Johannes Motschmann (Marathon Team Berlin), der sich im Januar in Houston auf 61:03 Minuten steigerte und damit in der deutschen Alltime-Bestenliste als Vierter sogar vor Richard Ringer steht. In Houston gelang ihm diese persönliche Bestzeit übrigens bei eiskaltem Wetter. „Ich hoffe, dass ich eine Zeit unter 61 Minuten erreiche. Die Kälte macht mir nichts aus“, sagte Johannes Motschmann.
„Wir haben ein starke Breite an deutschen Topläufern, so dass man schon von inoffiziellen Deutschen Meisterschaften sprechen kann“, sagte Mark Milde.
Topläufer mit Bestzeiten
MÄNNER
Gemechu Dida ETH 58:39
Gideon Kiprotich KEN 58:49
Richard Etir KEN 59:32
Amanal Petros GER 60:09
Diego Estrada USA 60:49
Robert Koech KEN 60:56
Johannes Motschmann GER 61:03
Richard Ringer GER 61:09
Carlos Diaz CHI 61:32
Akira Aizawa JPN 61:45
Curtin Fearghal IRL 61:45
Jonathan Dahlke GER 62:29
Filimon Abraham GER 62:35
FRAUEN
Fotyen Tesfay ETH 63:21
Ftaw Zeray ETH 66:04
Jessica Warner-Judd GBR 67:07
Samantha Harrison GBR 67:10
Caroline Korir KEN 67:57
Winnie Kimutai KEN 68:41
Diana Chepkorir KEN 69:24
Martina Strähl SUI 69:28
Gesa Krause GER 69:46
Esther Pfeiffer GER 69:49
Malindi Elmore CAN 70:11
Georgie Grec NZL 70:12
Rabea Schöneborn GER 70:35
Kristina Hendel GER 70:38
Blanka Dörfel GER 71:54
Mia Jurenka GER 71:56
Text: Jörg Wenig
Fotos: SCC EVENTS / Petko Beier, SCC EVENTS / Sportfotograf